Fachartikel · 28. Juli 2016

W&V-Serie: Mittelständische Agenturen

Die Brand Design Company Zeichen & Wunder im Porträt in einer neuen Serie der W&V über mittel­ständische Agenturen und mittelständische Kunden. Diese agieren oft als hochspezialisierte Player und beweisen, dass sie weitaus mehr als nur Randerscheinungen in der Agenturlandschaft sind. „Man sitzt mit den Entscheidern am Tisch, die Entwürfe durchlaufen nicht zig Instanzen, die Umsetzung schreitet zügig voran.“, sagt Julia Peglow-Peters über die Arbeit mit mittelständischen Kunden.

Text: Martin Bell (Auszug); der vollständige Artikel erschien in der W&V Nr. 28 vom 11. Juli 2016

Sie agieren im Schatten des Kreativadels. Ihre Kunden sind oft nur Eingeweihten ein Begriff, ihre Arbeiten begrenz sichtbar. Die Agenturen aus dem Mittelfeld sind die grauen Mäuse der Branche. Zu Unrecht.

 

Abseits der Hautevolee

Das Los teilt die Agentur mit Hunderten, Tausenden anderen. Im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen spektakuläre Etatgewinne, namhafte Marken, deren glamouröse Auftritte und, nicht zuletzt, die Exzellenzen dahinter, die mit Lorbeeren überhäuften Von-und-zus des Kreativadels. Doch das bildet nur einen kleinen Ausschnitt der Szene ab. Größen wie Serviceplan (2100 Mitarbeiter in Deutschland) oder Jung von Matt (720), Thjnk (300), Kolle Rebbe (275) oder Heimat (230 Mitarbeiter) sind Ausnahmeerscheinungen, die lediglich einen Promillesatz des Markts widerspiegeln. Hierzulande haben nur 0,7 Prozent der Werbe­agenturen 100 Mitarbeiter oder mehr. Demgegenüber zählt das Statistische Bundesamt gut 10 000 Einmannbüros und weitere 10 000 Buden mit zwei bis neun Mitarbeitern. Das Gros des Branchenumsatzes freilich erwirtschaftet die Mittelschicht: 2655 Werbeschmieden mit 10 bis 99 Mitarbeitern, die im Jahr auf mehr als 7,9 Mrd. Euro Gesamtumsatz kommen – das Dreifache dessen, was die 0,7-Prozent-Creme macht.

Auch in der Mittelschicht findet sich zwar der der eine oder andere bekannte Vertreter, sei es Lukas Lindemann Rosinski (65 Mitarbeiter) oder die Social-Media-Boutique Elbkind (62). Die Mehrheit aber fristet in der öffentlichen Wahrnehmung ein Schattendasein. Ihre Kunden sind häufig nur Eingeweihten ein Begriff, ihre Arbeiten nur in einem begrenzten Radius sichtbar, und ihre Kräfte verwendet sie auf laufende Aufträge statt auf Goldideen. Sie ist selten zu Gast auf Awardbühnen, und statt auf schlagzeilenträchtiges Neugeschäft baut sie auf langjährige Kundenbeziehungen. Es sind die grauen Mäuse der Szene.

Langweilig? Allenfalls auf den ersten Blick. Die Mittelschicht stellt nicht nur das Rückgrat der Agentur­branche dar, sie ist Schauplatz eines lebendigen und vielbeinigen Geschehens, in dem die Mitspieler, keineswegs schüchtern, eigene Akzente setzen, ob in Werbung, Mediaplanung oder PR. Das Prestigegehabe der Hautevolee ist ihnen fremd. Stattdessen pflegen sie eine so schlichte wie souveräne Haltung: Sie machen ihr Ding und haben Erfolg damit, gerade weil sie so sind, wie sie sind, übersichtlich, wendig und ideenreich.

Herrmannsdorfer Landwerk­stätten

„Im Pitch hat mich ihr Mut überzeugt, einen radikalen Weg einzuschlagen.“

Karl Schweisfurth
Geschäftsführer

Karl Schweisfurth war überrascht von dem Tempo, das die Münchner Agentur Zeichen & Wunder an dem Tag legt: „Die waren oft schneller als wir.“ Schweisfurth ist Geschäftsführer der Herrmannsdorfer Landwerk­stätten in der 5000-Seelen-Gemeinde Glonn, Oberbayern. Vergangenes Jahr engagierte er mit der Brand-Design-Agentur ausgewiesene Experten. Ihre Aufgabe: die Auffrischung der Biomarke Herrmannsdorfer. „Im Pitch hat mich ihr Mut überzeugt, einen radikalen Weg einzuschlagen.“ Herrmannsdorfer, Mitte der 1980er aus der Taufe gehoben, gilt als Pionier ökologisch wertvoller Jausen: Fleisch und Wurstwaren, Käse und Brote in ausgesuchter Bioqualität. Doch aufstrebende Neulinge machen dem Vorreiter das Leben schwer, hipp Labels, die sich den Teilzeitveganern und Detoxjüngern von heute andienen. Herrmanndorfer drohte den Anschluss zu verlieren. „Der Relaunch stellte zwei Aspekte in den Vordergrund“, sagt Julia Peglow-Peters, Geschäftsführerin bei Zeichen & Wunder. „Mehr Charakter in der Außendarstellung. Und mehr Lifestyle über ein modernisiertes Packaging.“ Die Ökomarke hat Courage, und das nicht erst seit gestern. Der Gründer des Familienbetriebs, Karl-Schweisfurths Vater, feierte als Unter­nehmer zunächst Erfolge in der Fleischindustrie – mit der Wurstmarke Herta (heute Nestlé). Seine Kinder brachten ihn zum Umdenken. Kurzerhand verkaufte er Herta und widmete sich der ökologischen Landwirt­schaft. Das ist der Stoff, den Zeichen & Wunder zu Markencredo und Markenzeichen verdichtet.
Der Biomarke aus Glonn gaben die Brand-Design-Spezialisten einen neuen Look: das Grün der Marke heller und leuchtender, der Schriftzug Herrmannsdorfer nun im Stil einer persönlichen Unterschrift, die für die Qualität bürgt. Das kryptische Siegel ÖQ verschwand von den Packungen (stand für „Ökologische Qualität“), an seine Stelle trat das Markenkürzel He. „Wir arbeiten gern mit Unternehmen, die mutig sind und Verän­derung wagen“, sagt Julia Peglow-Peters. Zeichen & Wunder ist auch für Konzerne wie SAP und BMW tätig.
Die Hälfte des Umsatzes aber entfällt auf mittelständische Kunden wie die Landwerkstätten. Das hat Vor­züge, so Peglow-Peters: „Man sitzt mit den Entscheidern am Tisch, die Entwürfe durchlaufen nicht zig Instanzen, die Umsetzung schreitet zügig voran.“ Den Herrmannsdorfer-Pitch gewann Zeichen & Wunder im Spätsommer. Drei Monate später fand der Relaunch statt.

 

Sinn für die eigene Stärke

Alleskönner sind sie nicht, die Schmieden aus dem Mittelfeld. Aber den Anspruch haben sie auch nicht. Ihre Fähigkeiten beweisen sie in selbst abgesteckten Zonen: hier Markenkommunikation für Lebensmittel, da regionalisierte Mediaplanung, dort Brand Design. Die Spezialisierung begrenzt ihr Einsatzgebiet, macht sie aber zugleich weniger austauschbar als Bauchläden der Kommunikationsszene.

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