
Vom Rockstar zum Sparringspartner
Wie Agenturen sich verändert haben und was sie auch in Zukunft erfolgreich macht.
Mit dem Porsche zum Termin, zum Dreh auf die Bahamas und zum Workshop mit dem Flieger nach London: So war es einmal, das Leben in der Agentur. Heute hat sich dieses Bild um 180 Grad gedreht. Wer sich seit über 20 Jahren in der Kommunikationsbranche bewegt, war bei jedem Schritt live dabei. Fünf Beobachtungen, wie sich Digitalisierung, Gesellschaft und veränderte Arbeitskultur auf eine Branche ausgewirkt haben und was man beachten sollte, wenn man erfolgreich bleiben will.
1. Gutes Design? Aber natürlich, unbedingt mit Strategie!
Das Bewusstsein für und der Bedarf nach gutem Design ist in den letzten Jahren extrem gestiegen. Und zwar nicht nur seitens der großen Marken. Gutes Design verbessert das Leben, indem es Dinge vereinfacht, zugänglich, bedienbar macht – oder auch einfach nur verschönert. Das ist etwas, was Menschen schätzen.
Nun ist es mit gutem Design oft so, dass man dem Ergebnis die Arbeit nicht ansieht, die der Weg dahin gemacht hat. Eben weil es so schön und leicht und selbstverständlich ist. Aus diesem Grund wird heute viel mehr in die strategische Herleitung von Design-Vorschlägen investiert. Und die Zeiten, in denen man mit einem einzigen Chart zum Kunden ging wie Don Draper in „Mad Man“ sind vorbei. Stattdessen: ganze Material- und Chart-Schlachten, angefüllt mit Mafo-Analysen, die objektiv belegen sollen, dass diese eine Idee auch wirklich die richtige ist – und zwar die, mit der Geld verdient wird. Oft ist es allerdings nur der gute (oder manchmal auch nicht ganz so gute) Geschmack, der durch die Mafo mit Zahlen als richtig belegt werden soll. Denn eines gilt es unbedingt zu verhindern: Dass der Kunde am Ende sagt: „Was ist denn daran so aufwendig? Das machen Sie doch sicher in fünf Minuten mit einer App!?“
> Wer also die gute Gestaltungsidee an den Kunden bringen möchte, muss Strategie und Design gemeinsam denken – beide sind untrennbar!
2. Mehr Gehirne generieren bessere Ergebnisse
Workshops erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Im Gegensatz zur klassischen Präsentations-Situation, in der einer „vortanzt“ und alle anderen mehr oder weniger bei der Sache sind, geht es hier gemeinsam ans Eingemachte. Ein Workshop lädt zum direkten Dialog und vor allem zu richtiger Arbeit am Thema, an der Marke ein. Kunde und Agentur können dabei ein gemeinsames ein Gefühl für das Projekt und füreinander als Team entwickeln. Denn letztendlich kann kein Briefing der Welt mit dem Wissen der Menschen hinter der Marke mithalten.
> Wer das gezielt für seine Marke einsetzt und persönliche Gespräche mit professioneller Moderation, passenden Workshop-Modulen und sorgsam ausgewählten Teilnehmern und Entscheidern führt, kann fantastische Ideen entwickeln und wahre Themen-Schätze heben.
3. Zwischen Strategie und „Tinder-Prinzip“
Es ist längst das große Thema der Branche (siehe auch Punkt 1) und auch wir erleben es jeden Tag: Der Bedarf an strategischer Beratung ist enorm gestiegen. Angesichts unserer extrem digitalisierten und individualisierten Zeit eine logische Konsequenz.
Gerade wenn sich alles immer schneller bewegt, alles immer klickbarer wird, sollte eine erkennbare Strategie oder Haltung dahinter stehen, um überhaupt erkennbar zu sein. Wenn es dann wirklich ernst wird mit der Strategie, sind allerdings immer wieder zwei Dinge zu beobachten. 1. Strategie ist fordernd und strategische Entscheidungen erfordern unternehmerischen Mut. Das Bewusstsein dafür und die Bereitschaft dazu müssen vorhanden sein, um wirklich etwas zu bewegen. 2. Sowohl in der Strategie als auch der Übersetzung in Text und Design drohen immer wieder schnelle „Wisch-und-weg“ Entscheidungen a la Tinder.
> Agenturen, die ihr Beratungsmandat ernst nehmen und ihre Kunden auch morgen noch beraten wollen, sollten hier zwingend gegensteuern. Denn gerade, wenn es grundlegend wird, darf man sich nicht von der omnipräsenten Beschleunigungskultur vor sich hertreiben lassen.
4. Digital, paperfree und (un-)kompliziert?
Im Wesentlichen spielt sich das (Arbeits-)Leben nur noch am Laptop und am Smartphone ab. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Arbeiten ist wesentlich flexibler (und nebenbei auch umweltschonender) geworden. Auch, wenn es um den direkten Austausch geht: Gerade bei der Zusammenarbeit über Länder-grenzen und Ozeane hinweg ist die Digitalisierung ein Segen.
> Aber aufgepasst: Besonders zwei Dinge sind auch im Digitalen nicht weniger kritisch als sie es noch zur Papierzeiten waren. 1. Organisation, Austausch und Abstimmungen müssen auf elektronischem Wege nicht zwingend einfacher sein – Projektmanagement Tools, Stundenerfassungssysteme aber auch Mail- und Chat-Fluten dürfen nicht zum Zeitfresser werden, der die Arbeit an der Sache behindert. 2. Thema Datenschutz: Lange wurde das Thema gar nicht bedacht, jetzt kommt keiner daran vorbei – wer als Agentur überlebensfähig sein will, muss diesem unleidigen Thema ins Auge sehen.
5. Vom Leben und Arbeiten
Ein Leben im Büro, Überstunden und Nachtschichten – all das gehörte einmal zum guten Ton und verkürzte kein bisschen die Bewerberschlangen an den Türen renommierter Agenturen. Heute ist es genau umgekehrt: Als Agentur muss man gute Leute umwerben – und dabei nicht nur auf Wünsche nach Urlauben, Fortbildungen und Entwicklungsmöglichkeiten Rücksicht nehmen. Auch Homeoffice-Tage, Sabbaticals oder familienfreundliche Arbeitsmodelle sind inzwischen selbstverständlich. Ein hoher Anspruch an den zukünftigen Arbeitgeber ist sicherlich berechtigt. Zugleich möchte ich empfehlen, sich nicht vom Werbegeklingel blenden zu lassen: Viele Agenturen zeigen ihre tollen Tischtennisplatten und locken mit Bananenbootreiten als Teambuilding-Maßnahme am nahegelegenen See. Und später sitzen gerade junge Mitarbeiter trotzdem bis tief in die Nacht am Schreibtisch. Eine gesunde Work-Life-Balance sollten Agenturen im Auge behalten. Das schafft zufriedene Mitarbeiter, die um 18 Uhr mit einem Lächeln nach Hause gehen und die dem Unternehmen länger erhalten bleiben
> Ich empfehle intensive Recherche zu den tatsächlichen Arbeitsbedingungen im Vorfeld – und ein Bewerbungsgespräch, in dem auch der Arbeitgeber seine Karten offen auf den Tisch legt. Nur so entstehen sinnvolle und langfristige Arbeitsbeziehungen, die ein echtes Zugehörigkeitsgefühl entstehen lassen. Und darum sollte es doch eigentlich gehen!