Das Ringen um Authentizität
Klassische Gipfelbilder oder echte Erlebnisse? In ihren Werbe- und Imagekampagnen suchen Outdoor-Marken Wege zwischen Sehnsucht, Echtheit und Zielgruppenvielfalt.
In der aktuellen Ausgabe der SAZsport • 3/2025 spricht Annika Kaltenthaler über die Kunst glaubwürdiger Markenführung – und darüber, wie echte Brand Personas Haltung, Werte und Kommunikation miteinander verbinden.

Welche Informationen benötigen Sie vom Kunden, bevor Sie mit der Konzeption einer Kampagne starten können?
Bevor wir kreativ werden, müssen wir die Marke wirklich verstehen. Also nicht nur, was sie sagt, sondern was sie meint und fühlt. Dazu gehören zum Beispiel die Werte der Marke, ihr Look, ihre Tonalität, ihre Position im Markt und natürlich: Was will sie gerade erreichen? Geht’s um mehr Aufmerksamkeit, mehr Verkäufe oder um ein besseres Image?
Ein gutes Beispiel sind Deuter und das Sporthaus Schuster. Beide sind tief in der Bergwelt zu Hause – aber ganz unterschiedlich unterwegs. Bei Deuter ging es darum, die eigene DNA neu zu aktivieren – mit einer Haltung, die Nachhaltigkeit und Abenteuerlust verbindet. Schuster hingegen verkörpert als „Das Sporthaus des Südens“ eine urbane Sportlichkeit mit alpinem Spirit.
Wichtig: Kampagnen wirken nicht nur nach außen – sondern immer auch nach innen. Gerade wenn eigene Mitarbeiter:innen Teil der Motive oder der Story sind, stärkt das spürbar die Employer Brand – in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Hebel.
Wie groß ist der kreative Spielraum Ihres Teams – und in welchem Maße ist der Kunde in die Entwicklungsprozesse eingebunden?
Wir arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen – das ist uns wichtig. Klar, wir haben viel kreativen Freiraum. Aber: Der hat immer einen Rahmen. Kreativität entfaltet sich am stärksten innerhalb strategischer Leitplanken. Die Auftraggeber:innen bringen den Kontext, wir übersetzen ihn in kreative Relevanz.
Am besten klappt das, wenn wir früh im Prozess dabei sind und gemeinsam an Ideen feilen. Beim Sporthaus Schuster zum Beispiel haben wir zusammen Personas und Storylines entwickelt. Das hat nicht nur die Kampagne besser gemacht, sondern auch das Team im Unternehmen gestärkt – die Leute fühlen sich gesehen und sind mit Herz dabei.
Was macht Kampagnen für Outdoormarken aus Ihrer Sicht besonders oder sogar einzigartig?
Outdoor-Marken bewegen sich zwischen Funktion und Emotion – zwischen technischer Innovation und einem Lebensgefühl aus Freiheit, Weite und Naturverbundenheit. Diese emotionale Dimension macht sie kommunikativ so spannend.
Der Naturzugang ist heute auch politisch aufgeladen – Stichwort Nachhaltigkeit. Kampagnen müssen inspirieren, Haltung zeigen und gleichzeitig glaubwürdig bleiben. Genau hier liegt unsere Aufgabe: das Reale mit der Sehnsucht, das Funktionale mit dem Sinnhaften zu verbinden – mit Feingefühl und einem klaren Blick auf das, was eine Marke glaubwürdig macht.
Wie identifizieren Sie die Zielgruppe einer Kampagne – und welchen Einfluss hat sie auf die kreative Umsetzung?
Für uns ist Zielgruppenarbeit mehr als nur Alter und Geschlecht. Wir entwickeln echte Brand Personas – also Typen mit Werten, Bedürfnissen und Haltungen.
Gerade im Outdoor-Bereich ist das Spektrum riesig: Vom Feierabendwanderer bis zur Hardcore-Bergsteigerin. Für Deuter haben wir differenzierte Zielgruppensegmente entwickelt – mit klaren kreativen Ableitungen. Denn ein gutes Bild oder ein starker Claim funktionieren nur, wenn man sich wirklich angesprochen fühlt.
Gibt es typische Fallstricke, die es bei der Entwicklung und Umsetzung von Kampagnen zu vermeiden gilt?
Ein häufiger Fehler: zu viele Botschaften und Zielgruppen in einer Kampagne. Das Ergebnis: Unschärfe. Gute Kampagnen sind fokussiert und manchmal mutig einseitig.
Genauso kritisch: Der Versuch, mit einem Motiv Alle zu erreichen. Unterschiedliche Menschen reagieren unterschiedlich – je nach Lebenswelt und Bedürfnis. Deshalb braucht es eine gezielte Ansprache entlang der Customer Journey und auf den richtigen Kanälen.
Eine dritte Schwachstelle liegt in der fehlenden Aktivierungslogik. Eine gute Idee wirkt nur mit der passenden Medienstrategie. Wichtig ist: Wo steht die Kampagne im Funnel? Geht es um Markenaufbau, Community oder Conversion? Gerade im Outdoor-Bereich muss Inspiration in Handlung übergehen. Und: Reine „Naturromantik“ reicht nicht – Konsument:innen erkennen sehr genau, ob ein Versprechen echt ist.
Werbung arbeitet oft mit Sehnsüchten. Wie realitätsnah sollte eine Kampagne für eine Outdoormarke sein? Und wie viel Überhöhung, etwa durch spektakuläre Bergwelten, ist aus Ihrer Sicht erlaubt oder sogar notwendig?
Die Sehnsucht nach Natur und echter Erfahrung ist stark – besonders in einer digitalisierten Welt. Outdoor-Marken dürfen das zeigen, aber mit der richtigen Balance.
Für Deuter haben wir mit echten Menschen gearbeitet – keine Models, keine Inszenierung. Im Mittelpunkt standen Persönlichkeiten aus dem Deuter-Team, darunter Extremsportler:innen, die ihre Leidenschaft täglich leben. Das schafft Vertrauen und eine emotionale Sogwirkung – fast wie ein Influencer-Effekt, nur glaubwürdiger.
Gleichzeitig braucht es Bildkraft: Ein Sonnenaufgang in 2.500 Metern Höhe ist Metapher für Selbstwirksamkeit und Perspektivwechsel. Wir nennen das „poetischen Realismus“ – Überhöhung, die berührt, ohne zu entfremden.
Inwieweit spielen Überlegungen zur Diversität eine Rolle – also Aspekte wie Alter, Geschlecht, Körperformen oder Hautfarbe und wie/ob man diese in einer Kampagne authentisch zum Ausdruck bringen will?
Diversität ist Realität. Wenn wir sie nicht sichtbar machen, bilden wir die Welt falsch ab – und verlieren Anschlussfähigkeit.
Wir achten bewusst auf Vielfalt – bei Casting, Bildsprache und Storytelling. Im Rahmen der Schuster Kampagne haben wir zum Beispiel Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Lebensrealitäten gezeigt: eine leidenschaftliche Person aus dem Bergsport ebenso wie eine urbane Kletterperson. Wichtig ist uns dabei: Diversität darf nicht aufgesetzt wirken, sondern sollte selbstverständlich, glaubwürdig und tief in der Markenwelt verankert sein.
Gibt es eine Kampagne aus Ihrer Agentur, auf die Sie besonders stolz sind – und was hat sie aus Ihrer Sicht so erfolgreich gemacht?
Definitiv auf den Marken-Relaunch von Deuter. Wir haben es geschafft, die über 120-jährige Geschichte frisch und relevant zu erzählen – mit neuem Claim, neuen Designprizipien und einer starken Kampagne, die Haltung, Emotionalität und Produktnähe verbindet.
Stolz sind wir auch auf die Mitarbeiter:innenkampagne für das Sporthaus Schuster, die seit Jahren erfolgreich ausgespielt wird. Im Zentrum: echte Expert:innen mit Namen, Gesicht und eigener Geschichte – Menschen, die ihre Outdoor-Leidenschaft in kompetente Beratung übersetzen. Diese Authentizität macht die Kampagne stark – intern wie extern.
Begleitet wurden beide Kampagnen von emotionalen Filmen, DOOH-Umsetzungen und digitalen Formaten. So begeistern sie nicht nur Kund:innen, sondern stärken auch das Teamgefühl und den Stolz der Mitarbeitenden. Gerade in einem Arbeitsmarkt mit großem Konkurrenzdruck sind solche Maßnahmen zur internen Identifikation ein wichtiges Element erfolgreicher Markenführung.
Den vollständigen Artikel inklusive Interview findet Ihr in der aktuellen SAZsport (Ausgabe 3/2025). In kürze erscheint dieser auch online.