Wir Kreative sollten zusammenstehen

Gegen die aufkommende Intoleranz – für die Freiheit der Gedanken und eine zukunftsgerichtete Wirtschaft.

Insight | 06. Februar 2024

Warum Kreativität im Widerspruch zu rechtsextremen Gedankengut steht

Offenheit, Vielfalt, Neugier, Empathie – all das sind die Voraussetzungen für kreatives Arbeiten. Die Einfalt des Rechtsextremismus setzt hingegen auf Angst und bietet keine konstruktiven Lösungen an.

Spannende neue Gedanken und Innovationen entstehen ja gerade im Spannungsfeld von alt und neu, entfalten sich zwischen „verwurzelt“ und „Kopf in den Wolken“. Da wird es schwierig, wenn bestimmte Kräfte alle Vielfalt, Buntheit und vermeintliche Verrücktheit, die ja genau Kreativität ausmacht und befördert, zurückschrauben wollen.

Ohne den Reiz des – ja, eben! – Fremdartigen, Unbekannten, vielleicht sogar leicht Beängstigenden entsteht er nun mal nicht, dieser unwiderstehliche Sog in eine neue, bisher noch nicht gedachte Richtung. Dass der Sprung ins unbequem Unbekannte auch immer einen gewissen Mut erfordert, kennen jede Designerin und jeder Designer. Bewusst herauszutreten aus der Komfortzone unseres gewohnten Denkens, eingefahrenen Handelns und standardmäßigen Bewertens gehört zu unserem Handwerk fest dazu. Diese Einsicht würde auch manchem, in noch nie modern gewesenen Überzeugungen festgefahren Wortführer von Rechtsaußen nicht schaden.

Ungewissheit führt zu Ideen

Wir Designer wissen: Zwar verfügen wir über viel Erfahrung und können im Kreativprozess auf umfangreiche Expertise, jahrelang aufgebaute Kompetenz und bewährte Modelle setzen. Aber richtig ist eben auch, dass es „absolute Sicherheit“ in diesen Projektphasen nicht gibt, dass zu viel unreflektierte Gewissheit ein echter Killer ist für originelle, neuartigen Ideen.

„Und dass festgefrorene Meinungen, absolut geäußerte Ansichten und die Überzeugung, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, Gift für jedes Brainstorming sind.”

Ich denke, die dringend notwenige, grundlegende Transformation zu einer zukunftsfähigen, mit der Welt insgesamt verträglicheren Lebensart kann uns nur gelingen, wenn wir ergebnisoffen denken und – auch ein Schreckensszenario von Kräften, die es immer ganz genau zu wissen meinen – indem wir auch mal etwas Halbgares ausprobieren, testen und prototypen. Neue Lösungen sind ja deshalb neu, weil wir sie nicht schon jahrzehntelang erprobt haben.

Einer auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden, wachen und neugierigen Suche nach Lösungen und Innovationen beim Umbau unserer Wirtschaft steht ein auf primitive Besitzstandswahrung ausgelegtes, destruktives Weltbild entgegen, das keinerlei langfristige Ideen und Lösungen anbietet und nicht einmal ein geheucheltes Interesse daran hat, außerhalb der eigenen Klientel für alle Menschen und Weltgegenden zu denken und zu sorgen.

Wir sind alle "anders"

Komplett im Widerspruch zur dringend benötigten Förderung von Innovation, Austausch und Ideen zur Behebung des Fachkräftemangels steht ein rückwärts gewandtes Weltbild, dass propagiert etwas zu bewahren, das es so ohnehin noch nie gab: Abgrenzung und Ausgrenzung, Einfalt statt Vielfalt, rigide, gleichgeschaltete Vorstellungen, wie wir alle zu leben hätten. Ich finde, das geht am Leben selbst in seiner bunten, mannigfaltigen Opulenz vorbei.

Besonders schäbig erscheint mir hier die Aggressivität gegenüber vermeintlich „schwächeren“ Gruppen unserer Gesellschaft. Im falschen Bewusstsein einer gefühlten Mehrheit wird hier auf der „Andersartigkeit“ von sexuellen Orientierungen, Religionszugehörigkeiten oder auch zur Not auf den Frauen im Allgemeinen herumgetrampelt. Vielleicht sollten sich die rechten Lautsprecher mal die Mühe machen, all diese Menschen zusammen zu zählen. Dann wird sich ein ähnliches Bild wie an den letzten Wochenenden in vielen Städten ergeben: Richtig, die vielen Unterschiedlichen, das sind letztlich wir alle. In all unseren Schattierungen unserer Gesellschaft. Was für ein buntes, was für ein herrliches, was für ein lebendiges Bild!

Eindeutigkeit ist langweilig

Ich finde, richtig spannend wird es für den kreativen Geist ohnehin viel weniger im Schwarz oder Weiß, im Richtig oder Falsch. Eindeutigkeit ist nun mal gerne langweilig, oft arg simpel und wird unserer wunderbaren komplexen Welt und dem Leben an sich doch niemals gerecht. Wer immer sofort mit der einen einzigen Wahrheit, mit einer absolut richtigen Lösung parat steht, dem misstraue ich grundsätzlich.

Wirklich aufregend sind doch ohnehin die Zwischentöne! Neuland befindet sich immer in Grenzbereichen und der Reiz des weit entfernten, lockenden Horizonts liegt nun mal im Zwielicht. Genau dahin bewegen wir Kreative uns – unsicher, tastend, forschend, aber Meter für Meter nach vorn. Dass es auf diesen Expeditionen auch mal zeitweise trüb und ungemütlich sein mag, ist zugegebenermaßen manchmal schwer auszuhalten. Aber die Flucht per Vollgas im Rückwärtsgang wird hier sicher nicht weiterhelfen.

„Wir Kreative sollten deshalb zusammenstehen: Gegen die aufkommende Intoleranz – für die Freiheit der Gedanken und eine zukunftsgerichtete Wirtschaft. Denn Kreativität und Innovationen leben vom Mut, etwas Neues zu wagen und von lebensbejahendem Optimismus.”

Irmgard Hesse
geschäftsführende Gesellschafterin bei Zeichen & Wunder