Fachartikel · 10. Februar 2021

Grün ist das neue Schwarz: 5 Tipps für Einsteiger

Irmgard Hesse über die besondere Schönheit der kleinen Schritte.

Nachhaltigkeit allein ist noch keine Story. Man sieht, dass sich viele Marken um ein „grünes“ Image bemühen. Angst vor diesem Mega-Projekt? Kleine Schritte helfen.

Aktuell ist das eine der häufigsten Fragen bei Strategieprojekten: „…und was machen wir mit der Nachhaltigkeit?“ Ja, was machen wir denn mit ihr? Überaus positiv ist, dass diese Frage im Moment viele Unternehmer:innen, beinahe jede Institution sowie die allermeisten denkenden Menschen auch persönlich umtreibt: Das Gewissen ist angeknackst, der Wille ist da, etwas zu verändern. Aber oft fehlt eine konkrete Vorstellung, wie „Nachhaltigkeit“ im Unternehmenskontext sinnvoll und glaubwürdig verankert werden kann.

 

Das große Spielfeld der Nachhaltigkeit

Bewährt hat sich, mit einer Begriffsklärung zu starten, da die Interpretation häufig von „irgendwie öko“ bis „die Welt ein bisschen besser machen“ geht.

Wenn man sich die SDGs, die „Sustainable Development Goals“ der Vereinten Nationen als offiziellen Maßstab der Nachhaltigkeit ansieht, merkt man sofort, dass „Nachhaltigkeit“, wenn man sie ernst nimmt, in ihrer Gesamtheit nicht unter 17 Zielen zu haben ist. Das muss man erstmal verdauen! Aber es sollte uns im Umkehrschluss nicht resignieren lassen. Im Gegenteil, hier beginnt die gute Nachricht: es handelt sich eben um Ziele.

Niemand erwartet von einem einzelnen Unternehmen, dass es von heute auf morgen alles „richtig“ macht. Dafür ist die Materie zu komplex. Beschlüsse müssen in oft mühsamer Detailarbeit umgesetzt werden, wenn sie nicht nur auf dem Papier verstauben, sondern in echte Verhaltens-Änderungen münden sollen.

 

Die Macht der Gewohnheit

Ja, es ist ein schwerer Weg. Sie wiegt wie Blei, die Macht der Gewohnheit. Die amerikanische Psychologin und Professorin Wendy Wood beschreibt in Ihrem Buch „Good Habits, Bad Habits“, wie unglaublich oft wir eine neue Handlung über einen gewissen Zeitraum wiederholen müssen, bis sie in unser tägliches Verhalten übergeht und vom Gehirn nicht mehr hinterfragt und so zur unangestrengten Gewohnheit wird. Kein Wunder, dass uns Änderungen als Individuum und als Gesellschaft so schwerfallen!

Auch deshalb ist es wichtig und gut, dass Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Es ist nicht fair, das Thema Nachhaltigkeit im rein Privaten zu parken. Für den Einzelnen ist es ungeheuer anstrengend, täglich so viele individuelle Abwägungen und Entscheidungen treffen zu müssen, häufig auch noch gegen die gesellschaftliche Norm. Sie wollen Ihre Marke zur grünen Love Brand machen? Dann nehmen Sie am nächsten W&V Green Marketing Day teil. Am 17. März erfahren Sie, wie grünes Wirtschaften gelingt, wie Sie die passenden Testimonials finden und welche Kanäle für Ihre Botschaften geeignet sind.

Dass der Weg der Weltrettung nur über die Änderung von Gewohnheiten zu gewinnen ist, wird auch an Wendy Woods Beschreibung deutlich: „Gewohnheiten vereinfachen unser Leben. Sie sind Abkürzungen des Gehirns, um weniger Energie aufwenden zu müssen.“ Das ist auch ermutigend: haben wir uns erstmal auf die anstrengende Phase des „Change“ eingelassen, werden wir früher oder später in den Genuss der energiesparenden geistigen „Abkürzungen“ zu kommen.

Was hat das alles mit Markenführung zu tun? Eine ganze Menge. Wenn wir die Corporate Identity eines Unternehmens entwickeln und beschreiben, beschäftigen wir uns intensiv mit der Haltung und den Werten einer Marke und ihrer zukünftigen Ausrichtung.

 

Vom K.-O.-Kriterium zum O.K.-Kriterium

Spätestens wenn die Vision des Unternehmens formuliert werden soll, kommt man kaum darum herum, in Bezug auf Nachhaltigkeit Position zu beziehen. Gerade junge Kund:innen und Mitarbeiter:innen lassen sich nicht mehr mit leeren Versprechungen abspeisen. Nachhaltigkeit wird eingefordert und mehr und mehr zum bestimmenden Entscheidungs- und Kaufkriterium – für jede Branche, für jedes Produkt. Das ist auch richtig so, wie sonst soll Zukunft entstehen, ohne an künftige Generationen zu denken?

Und somit ist die Verankerung von nachhaltigen Werten in der Markenidentität eben auch das: eine Einladung zur Veränderung an das Gewohnheitstier Mensch, eine langfristige Erinnerung und Ansporn an das, was man sich gemeinsam vorgenommen hat. Gerade die ganz jungen Erwachsenen unter den Mitarbeiter:innen fordern – zu Recht –Sinnhaftigkeit in ihrem beruflichen Tun. Deshalb ist es für uns alle wichtig, Agenturen wie Auftraggeber, jetzt einen Anfang zu machen.

 

Wo anfangen? Wie anfangen?

 

1

Mach es authentisch!

Keiner kann alles. Warum nicht dort anfangen, wo man ohnehin tätig ist und seine Stärken hat? Das beflügelt die Fantasie bei der Entwicklung geeigneter Projekte und erhöht die Glaubwürdigkeit gegenüber den eigenen Mitarbeiter:innen und Kund:innen. „Nachhaltigkeit“ allein ist noch keine Story. Spannend wird es, wenn im Identitätsprozess glaubwürdige Anknüpfungspunkte gesucht und gefunden werden, die sich mit der Geschichte der Marke authentisch verknüpfen lassen.

Ein schönes Beispiel ist hier die schwedische Outdoor-Marke Houdini: Der Satz „Do good, play hard, push boundaries and have fun“ bringt das Markenversprechen gut auf den Punkt. Glaubwürdig deshalb, weil hier nicht rein auf Vernunft gesetzt und auf den Spaß verzichtet wird, sondern gerade in der Kombination eine starke Markengeschichte entsteht. Diese Grundhaltung ist tief im Produktdesign verankert. Houdini möchte Funktionskleidung entwickeln, die stylisch ist und Spaß macht, aber gleichzeitig zeitlos und so über viele Saisons hinweg getragen werden kann. Außerdem werden Produkte entwickelt, die für viele Aktivitäten geeignet sind, also im Sinne von „eine Jacke für alles“, sodass nicht viele verschiedene Kleidungsstücke benötigt werden (do good). Das Ziel ist nicht weniger, als eine neue, nachhaltige Outdoor-Industrie zu schaffen.

 

2

Mach es jetzt!

Klimawandel findet jeden Tag statt. Ungleichheit existiert hier und jetzt. Es gibt keinen Grund zu warten. Deshalb ist es so wichtig, einen Anfang zu machen, um über die eigene Ungeduld nicht in Resignation zu verfallen. Die Verankerung in der Markenidentität oder der Brand Story gewährleistet, dass Zukunftsthemen rund um die Nachhaltigkeit nicht wieder vergessen werden und täglich als Maßstab sichtbar sind.

 

3

Mach es handlich!

Wenn Werte, Ziele und Strategie definiert sind, geht es um die Implementierung.
Ein konkreter, greifbarer Anfang im Kleinen ist häufig viel besser als eine umfangreiche Konzeption, die so komplex ist, dass sie nie über schöne Worte hinauskommen wird. Zu ehrgeizige Vorgaben ängstigen uns zu Recht, weil wir innerlich genau wissen, dass wir trotz bester Vorsätze in unserem ohnehin zeitlich anspruchsvollen Alltag nur ein bestimmtes Pensum leisten können.

 

4

Mach es im Team!

Alles fällt leichter, wenn man Mitstreiter:innen hat. Gerade bei Themen, bei denen in der Umsetzung viel kleinteilige Überzeugungsarbeit zu erledigen ist. So eine Task Force im Unternehmen kann dann aus der Pflicht und den vielen Hausaufgaben eine Identität stiftenden Wirkung haben, gemeinsame Pionierarbeit schweißt zusammen.

 

5

Mut zur Blamage

Allgemeine Reden zum Thema schwingen ist wohlfeil und hilft niemand weiter. Die Schwierigkeit ist, dass die ersten machbaren Schritte oft wenig spektakulär und ganz klein sind. Damit ist auf den ersten Metern noch kein großer Beifall zu erwarten. Wer Ermutigung benötigt, sollte sich unbedingt am Beitrag der Autorin, Coach und Soziologin Christine Carter aus der TED-Serie „How to Be a Better Human“ erfreuen: Sie beschreibt mit viel Selbstironie, wie sie sich das tägliche Laufen angewöhnen wollte und nach anfänglichen Startschwierigkeiten von dem zu ehrgeizigen Ziel des Halbmarathons verabschiedet hatte. Den Schlüssel zum Erfolg und zur neuen Gewohnheit: Sie fing mit 60 Sekunden Laufen an!

 

Also gehen wir es an:

Auch auf die Gefahr hin, dass es erst mal kleine Schritte sind. Oder sogar lächerlich kleine Schritte. Denn alles ist besser als nichts tun.

Sonst laufen wir Gefahr, dass uns die zu große Ambition im Wege steht und wir am Ende gar nichts machen uns im Sinne des unvergesslichen Karl Valentin bei allem Good Will letztlich einfach drücken: „Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.“

Artikel zuerst erschienen auf: