
Führung übernehmen – ja oder nein?
Viele Kreative übernehmen irgendwann eine Führungsposition. Aber es gibt auch andere Optionen. In ihrer Titelstory vom September letzten Jahres beleuchtet die Page individuelle Werdegänge. Prominent vertreten: Nicole Hector, Director Strategy bei Zeichen & Wunder.
Wer gute Arbeit leistet, steigt auf. So lautet meist die Regel in Kreativagenturen. Aber je höher man aufsteigt, desto mehr kommen Aufgaben dazu, auf die viele Designer:innen keine Lust haben – organisieren, Teams zusammenstellen, Kundenmeetings leiten und so weiter. Viele Gestalter:innen rutschen in eine Laufbahn, die sie sich nicht ausgesucht haben – und für die sie vielleicht gar nicht geeignet sind. Glücklicherweise gibt es in der Kreativbranche aber auch alternative Modelle – sei es die Selbstständigkeit, die Arbeit in Kollektiven oder auch reine Fachkarrieren, wie sie immer mehr Agenturen anbieten.
Führung und Familie schließen sich nicht aus
„Ich habe ursprünglich Design studiert, aber von Anfang an mit einem starken strategischen Fokus gearbeitet. Seit einigen Jahren verantworte ich den Bereich Markenstrategie bei Zeichen & Wunder. Ich bin Teil des Führungskreises, der in engem Austausch mit der Geschäftsführung die Entwicklung der Agentur mitgestaltet. Als zweifache Mutter bin ich ungemein dankbar, dass sich bei Zeichen & Wunder Führung und Familie nicht ausschließen – das ist leider (immer) noch nicht selbstverständlich.
Vorher war ich bei einer großen Netzwerkagentur in Hamburg, wo ich als Senior-Designerin anfing und recht schnell die Chance bekam, zum Team Lead aufzusteigen. Ich wurde ins kalte Wasser geworfen und musste plötzlich Leute anleiten, die vorher meine Teamkolleg:innen waren. Das war eine extrem herausfordernde Zeit – aber ich erlebte dadurch auch eine sehr steile Lernkurve, natürlich mit Höhen und Tiefen. Und letztlich war genau das eine gute Vorbereitung für meine heutige Position.“
„In einer Führungsposition wird man mehr zur Impulsgeberin und zum Coach. Diesen Rollenwechsel muss man wollen.“

„Ich glaube, dass man sich gar nicht so richtig auf eine Führungsposition vorbereiten kann. Klar kann man das Handwerkszeug durch Coachings lernen – und das rate ich auch jeder und jedem. Aber niemand ist in dieser Rolle von Anfang an perfekt. Deshalb ist es wichtig, sich selbst zu hinterfragen und Feedback einzufordern. Ab einer gewissen Ebene steht man ab und zu etwas allein da. Dann hilft es, sich mit Leuten auszutauschen, die in einer ähnlichen Position sind. Viel hängt an der jeweiligen Agenturkultur, aber generell gibt es zum Glück immer weniger die Mentalität ‚Entweder du packst das oder du bist hier falsch‚.
Der größte Lernprozess besteht für viele Gestalter:innen mit Führungsrolle darin, die eigene Kreation nicht mehr bis zum Ende auszuarbeiten – das fällt anfangs schwer, wird aber mit der Zeit einfacher. Man wird mehr zur Impulsgeberin und zum Coach. Diesen Rollenwechsel muss man wollen. Außerdem braucht es Kommunikationsbereitschaft und ein gewisses Organisationstalent.“
