
Stadt, Land, Logo
Warum Standortmarketing in einer globalisierten Welt so wichtig ist
Nahezu acht Milliarden Menschen bevölkern die Erde – über die Hälfte davon lebt in Städten. Dort steigt die Anonymität und damit die Sehnsucht ihrer Bewohner nach Heimat. Hinzu kommt das Voranschreiten der Globalisierung: Die Innenstädte beginnen sich zu ähneln und werden internationaler, große und bekannte Marken sind überall verfügbar und machen das Erscheinungsbild z.B. von Fußgängerzonen austauschbar.
Für die Bevölkerung der Metropolen bekommen deshalb lokale und regionale Bezüge eine immer größere Bedeutung: als Differenzierungsmerkmal und als Bestandteil der eigenen Identität. Wer diese Merkmale in seine Standort-Marke integriert, kann diesen Bezug sichtbar machen. Und dadurch im Wettbewerb der Städte und Gemeinden um Einwohner, Unternehmen und Touristen einen unschlagbaren Vorteil erzielen. Hinzu kommt die weiter fortschreitende Digitalisierung, die sowohl im Verwaltungs- als auch im Tourismusbereich für neue Anforderungen sorgt. Auch hier gilt es für die Standortmarke eine breite Akzeptanz nach innen und außen zu schaffen, um einen rundum gelungenen Auftritt für den betreffenden Standort hinzulegen. Wie das gelingen kann, zeigen die folgenden Beispiele.
Wien: Endlich einheitlich
Unfassbar viele städtische Logos wuchsen in den 20 Jahren nach Einführung des letzten Brand Designs in den Himmel Wiens: vom „Wiener Wohnen“ bis zum „Wiener Wasser“ hatte jedes Thema einen ganz spezifischen Markenauftritt. Leider stand dieser Sachverhalt ziemlich direkt im Gegensatz zum Sinn von Corporate Design, bei dem es um Orientierung, gewissermaßen um Verschönerung des Lebens durch Vereinfachung geht. Das neue, im April 2019 vorgelegte Corporate Design der Standortmarke Wien leistet diese Vereinheitlichung nun. Die ersten Umsetzungsbeispiele und die Website der Stadt Wien sind aufgeräumt, ansprechend und modern – was am Einsatz großformatiger Bilder und der zeitgemäßen Farbigkeit liegt. Der moderne Umgang mit der Bildmarke, dem Wappen der Stadt, und die Motive in der Kommunikation lassen Wien auf authentische Art weltoffen, inspirierend und dem Menschen zugewandt wirken. Rundum gelungen wie ich finde, weshalb die Kritik des damaligen Bundeskanzlers Kurz an der Summe der von der Stadtverwaltung eingestellten Implementierung von 600.000 Euro für mich nicht nachvollziehbar ist. Denn ein einheitliches Branding spart langfristig Kosten. Es vereinheitlicht Prozesse und macht die Stadt für Bewohner, Wirtschaft und Touristen gleichermaßen begehrt, wenn – wie in diesem Fall – das Ergebnis stimmt.
Berlin: Steile Lernkurve, mehr Bürgerbeteiligung
Die letzte Berliner Standortkampagne „be.berlin“ ging vor rund elf Jahren an den Start, erfuhr aber laut einer Forsa-Umfrage von einer Mehrheit der Berliner Bevölkerung Ablehnung: 60 Prozent bezeichneten sie als „schlecht“. Ob es an der prägnanten Sprechblase oder am leicht aufgeregten Rot lag, das in der Farbpsychologie bezeichnenderweise mit „Abenteuer“, „Thrill“ und „Dominanz“ assoziiert wird, ist nicht bekannt. Zumindest das Claimhafte der Kampagne passte gut zum Berlin Wowereits: Berlin ist das, was ihr darin sehen wollt, schien „be.berlin“ zu sagen.
Nun wurde innerhalb eines Jahres ein neues Leitbild entwickelt. Dabei hat die Stadt offensichtlich aus Fehlern gelernt und tausende Bürger in den Entstehungsprozess ihres neuen Markenmodells mit einbezogen. Aus diesem soll nun ein Erscheinungsbild abgeleitet werden. Erstes Ergebnis: Mittels „Place-Branding-Experten“ fand die zuständige Agentur heraus, dass fortan Diversität und Solidarität im Zentrum eines neuen Auftritts für Berlin stehen sollen. Klingt gut – gestalterisch dabei herauskommt, bleibt abzuwarten.
Amsterdam: Verkehrsstörung wegen zu großen Erfolgs
„I amsterdam“ ist der gut gelaunte Klassiker unter den Standort-Kampagnen. Sie kommt extrem gut an, was zu einem großen Teil an der Simplizität des Wortspiels liegt, das jeder sofort versteht, der auch nur ein bisschen Englisch spricht: Direkter und klarer lässt sich Identifikation mit einer Stadt nicht kommunizieren. Stadt und Mensch verbinden sich hier zu einer eingängigen, haltungsstarken Aussage. Mit der Kampagne positioniert sich Amsterdam als attraktive Metropole und betont zugleich das Individuelle und die Diversität. Nicht Gebäude, Geschichte oder kulturelle Highlights definieren die Stadt, sondern die Menschen, die in ihr wohnen oder sie besuchen. Die Attraktivität Amsterdams hat seit dem Launch der Kampagne noch mehr zugenommen – im Wettbewerb der beliebtesten Reiseziele Europas rangiert die Metropole heute an einer Spitzenposition. Ende 2018 war „I amsterdam“ übrigens so beliebt, dass der Schriftzug auf dem Museumsplein abgebaut werden musste. Die roten und weißen Buchstaben, die den Slogan der Stadt bilden, waren als Fotomotiv so beliebt, dass der Platz völlig überlaufen und der Verkehr nur noch schwer zu regeln war.
München Tourismus: Charakter gewinnt
Auch die Stadt München hat vor Jahre in ihren Standort investiert: als Ergänzung zum relativ strengen Corporate Design der Stadt hat Zeichen & Wunder ein sympathisches, emotionales Design für den Tourismusbereich entwickelt. München steht für Kulturgenuss und Genusskultur – die positive Ausstrahlung der Stadt soll mit dem Brand Design für München Tourismus mit einem Schmunzeln spürbar werden und Gäste sowie Münchner gleichermaßen für die Metropole begeistern.

Ismaning: Kleine Gemeinde, große Wirkung
Aber nicht nur Welt- und Großstädte setzen sich mit ihrem Erscheinungsbild auseinander: Auch kleinere Gemeinden benötigen Identifikation für ihre Bürger und befinden sich im direkten Wettbewerb mit ihrem Umfeld. Für sie sind neue gesellschaftliche Anforderungen genauso ein Thema wie die digitale Transformation. Das zeigt das Beispiel der Gemeinde Ismaning, eines lebendigen Ortes mit 94 Vereinen und einem entsprechend aktivem Gemeindeleben. Die 2019 vorgestellte „Standortmarke Ismaning“ bietet dem berechtigten Stolz der Bürger auf ihre über 1.200 Jahre alte Heimatgemeinde eine – auch digitale – Plattform, ein modernes Gesicht und spiegelt sich auf allen Touchpoints, die die Bürger mit ihrer Gemeinde haben können, wider: von der Website über Anstecker, Baumwollbeutel und bis hin zu einem traditionellen Dirndlstoff.



Was also macht Standortmarken zukunftsfähig und erfolgreich?
Standortmarken müssen ein sichtbarer und sympathischer Ausdruck des Anspruchs sein, dass die Stadt oder Gemeinde ihre Bürger nicht nur „verwaltet“, sondern sich aktiv bemüht, ansprechbar und nahbar zu sein. Das heißt auch: sämtliche Behördengänge sollten idealerweise 24 Stunden am Tag ortsungebunden erledigt werden können. Eine moderne Standortmarke ist hier Basis, diese Vorgaben in Zukunft attraktiv und bürgerfreundlich umzusetzen.
Logo und Erscheinungsbild müssen Tradition und Zukunft vereinen – etwa auf der Website, bei kulturellen Veranstaltungen, im Stadtbild und auf zahlreichen Give-aways. Einmal implementiert, gilt das Design auch für die attraktive Fortschreibung der Marke in Zukunft. Dabei sollte die Standortmarke stets einem Gesetz folgen, das auch für die Markenbildung allgemein gilt: Substanz bitte!