Pressemeldung · 01. Dezember 2012

Zeichen & Wunder im Interview mit Design Lodge – The show must go on

Ein ungewöhnlicher Store erfordert einen ungewöhnlichen Ansatz – an den drei Etagen, 480 qm und unzähligen Ecken und Winkeln des Münzinger Fans United Stores hätte sich so manches Designbüro die Zähne ausgebissen.

München, 1. Dezember 2012. Dass in den historischen Gewölben im Münchner Rathaus eine einzigartige Mischung aus Style- und Sportstore entstand, haben die Eigentümer Flori Schuster und Rainer Angstl erfahrenen Partnern zu verdanken. Die Münchner Markenagentur Zeichen & Wunder hat in enger Kollaboration mit dem Düsseldorfer Designbüro Schwitzke & Partner eine Fußballerlebniswelt geschaffen – inklusive Style-Department, DJ-Pult, Stitching Maschine und Gaming Ecke. Ungewöhnlich: Als Hüter des CI war Zeichen & Wunder nicht nur bei der Konzeptentwicklung dabei, sondern auch in der Ausführungsphase immer wieder mit auf der Baustelle. Zwischen Sneakern und Sportstyles erklären Zeichen & Wunder Inhaberin Irmgard Hesse, Retailexperte Patrick von Hausen und Fans United Storeleiter Tobias Zipfer im Round Table, warum richtiges Branding im Store immer wichtiger wird.

 

Wie lautete die Aufgabe für den neuen Fans United Store, Herr Zipfer?

ZIPFER: Bei diesem Projekt gab es die klare Vision, Fußball mit Lifestyle zu verbinden. Wir haben zunächst eine Trendscouting Tour nach London, New York und Berlin gemacht. Aus diesen Eindrücken ist dann die Idee für unseren Store gewachsen. Der Ehrgeiz war es, die verschiedenen Kundengruppen zu inspirieren. Das funktioniert zum Beispiel über die Bildsprache im Schaufenster: ein Fußballer, der einen coolen Style trägt. Der Kunde fragt nicht explizit nach Produkten, sondern sucht intuitiv nach den Artikeln, die diesem Bild entsprechen.

 

Und was genau war die Rolle von Zeichen & Wunder? 

ZIPFER: Bevor es zum Architekturbriefing kam, gab es bereits enorm viel Vorarbeit, viele Ideen und Visionen, die gemeinsam mit Zeichen & Wunder entwickelt wurden.

HESSE: Lange vor dem Briefing haben wir mit Münzinger einen Markenentwicklungsprozess aufgesetzt und auf dieser Basis das übergreifende Corporate Design entwickelt. Unsere Aufgabe als Markenagentur war es, den Schritt von der Idee hin zum Architektenbriefing zu machen. Münzinger gibt es schon sehr lange und mit der Umgestaltung des Hauses wurde der Store völlig verändert. Wir mussten die visuelle Klammer finden: Wie schaffe ich eine Mischung, die den Fußballbegeisterten nicht verschreckt und den Lifestyler anzieht? Die Vision des neuen Stores musste mit dem bestehenden Markenbild verbunden werden. Wir waren dabei die Hüter der Corporate Identity.

 

Wie lief dieser Prozess ab? 

HESSE: Es war für uns sehr positiv, dass wir schon so früh in den Prozess mit einsteigen konnten. Nachdem wir gemeinsam mit Münzinger die neue CI erarbeitet hatten, hat Zeichen & Wunder das Briefing organisiert und entwickelt. Das beinhaltet zum Beispiel Moodboards, anhand derer sich die Architekten ein Bild von der Vision des Hauses machen können. 

VON HAUSEN: Anschließend haben wir mehrere Architekturbüros eingeladen, letztendlich waren drei in der Ausschreibung. Das ist ein unüblicher Weg. Häufig ist zuerst der Innenarchitekt oder Ladenbauer da, und das Branding und die Kommunikation kommen zum Schluss. 

HESSE: Bei diesem Ablauf besteht aber die Gefahr, dass die Bespielung am Ende wie ein Fremdkörper in einem sonst stimmigen Konzept wirkt.

 

Worauf kommt es bei der Kommunikation im Store denn an? 

ZIPFER: Der Kunde darf nicht das Gefühl haben, in verschiedenen Bereichen plötzlich in einem völlig anderen Store zu sein. Die Kunst ist es, im Gesamtkontext individuelle Räume zu schaffen. 

HESSE: Der Kunde fällt Entscheidungen blitzschnell, darum müssen eindeutige Zeichen gesetzt werden. Die Kundenführung sollte intuitiv und indirekt sein, die Besonderheiten der verschiedenen Bereiche müssen sehr schnell deutlich werden. Ein Storekonzept darf nicht erklärungsbedürftig sein, und das gelingt am besten über ein Zusammenspiel aus Architektur, Mobiliar, Bildwelten und Farblichkeiten. An dieser Stelle haben wir sehr eng mit den Architekten Schwitzke & Partner zusammengearbeitet.

 

Und dieses ungewöhnliche Zusammenspiel hat gut funktioniert? 

VON HAUSEN: Für uns war es ein Glücksfall, dass das ganze Corporate Design noch vor dem Storebriefing überarbeitet wurde. Für den Architekten ist dieser Weg häufig noch ungewohnt. Natürlich führte das auch zu Diskussionen zwischen uns, dem Händler und dem Ladenbauer. Aber nur so kommt man zu einem guten Ergebnis. 

HESSE: Genau, Diskussionen sind gesund. Der Kunde, wir und die Architekten haben bestimmte Vorstellungen entwickelt und wenn man in Round Tables zusammensitzt und diskutieren kann, schafft das ein starkes Konzept. Wenn wir Hand in Hand arbeiten wollen, muss man natürlich auch liefern. Das machen Agenturen ja ganz gerne: Sie präsentieren eine Idee und die Architekten können schauen wie sie zurechtkommen. Das wollten wir anders machen, wie haben auch vor Ort bei den Prozessen mitgeplant und uns eng mit den Innenarchitekten in der Umsetzung abgestimmt. 

VON HAUSEN: Im Grunde war es ein Moderationsprozess, um das Projekt mit allen Beteiligten zu Ende zu bringen. Und genau hier wird die Rolle von Markenagenturen wichtiger, da wir das große Ganze – bis in den Store hinein – im Auge haben. 

HESSE: Und dabei sind wir große Fans von Spezialisten. Wir haben zwar das Knowhow, um zu beurteilen und Vorschläge zu machen, aber die Bauleitung müssen wir nicht unbedingt übernehmen.

 

Der Store hat jetzt seit knapp fünf Monaten geöffnet – was sind die Punkte, an denen auch nachträglich noch gearbeitet werden muss? 

VON HAUSEN: Die Kommunikation im Store muss sich im Laufe der Zeit verändern können, ohne dabei die Gesamtidee zu verlassen. 

HESSE: Wir sind permanent daran, Dinge auszuprobieren und zu verändern. Auch jetzt werden zum Beispiel die Schaufenster immer wieder neu gestaltet und thematisch bespielt. 

ZIPFER: Im Treppenhaus hatten wir zu Beginn nur Grau in Grau. Nach vier Wochen haben wir mit Farbe ausgebessert um den Weg ins Untergeschoss attraktiver zu machen. In diese Prozesse muss man hineinwachsen und einfach viel ausprobieren. 

VON HAUSEN: Man muss auch sagen, dass Sie, Herr Zipfer, Ihren Kunden einfach viel besser kennen. Sie bekommen im Store mit, wo es zu eng ist, was beim Endkunden nicht ankommt. Und der Endverbraucher hat immer recht: Manches ist vielleicht schön gedacht aber funktioniert in der Praxis nicht. 

HESSE: An Ideen für die Zukunft gibt es keinen Mangel. Aber wir müssen aufpassen, weiter gründlich und substanziell zu arbeiten. Visionäre Ideen müssen nicht nur gefallen, sondern auch zur richtigen Zeit umgesetzt werden. Die Dramaturgie muss stimmen!

 

Und sind Sie bisher mit dem Erfolg zufrieden? 

ZIPFER: Ob neue Kunden dazugekommen sind, können wir noch nicht beurteilen, dafür ist es noch zu früh. Gerade die ersten Monate sind eine Findungszeit: Was funktioniert, was nicht? Wir haben neue Marken aufgenommen, alte ausgelistet. Auch unser Online-Store läuft im Moment an. 

HESSE: Onlineshops sind aufwändig und kostspielig, aber aufgrund der jungen Zielgruppe – die wir zunehmend bekommen wollen – konnte darauf nicht verzichtet werden. Eine größtmögliche Stimmigkeit online und offline zu erzielen, das ist das Ziel. Jede Aussage, die nach außen geht, muss zusammenpassen. Es reicht nicht zu sagen „Wir machen jetzt einen schönen Shop“. Es müssen sehr viele Faktoren beachtet werden, um etwas stimmiges Ganzes zu erreichen. Da ist die Architektur ein wichtiger Baustein, aber eben nur ein Baustein. Die Marke stimmig zu erleben steht für uns immer im Mittelpunkt aller Anstrengungen.

 

Mit Onlineshops haben Sie einen Punkt angesprochen, der Händler, aber auch Dienstleister bewegt. Welche Themen sind momentan noch wichtig? 

HESSE: Die Tendenz aktuell geht wirklich hin zu den Fragen: Welche Agenturen machen was? Welche Partner kommen wann ins Boot? Es werden für verschiedene Schritte ja verschiedene Gewerke benötigt. 

VON HAUSEN: Für viele Unternehmen wird der strategische Markenfokus interessant und dass wir als Agentur auch inhaltlich eine Aussage über einen Raum mit einem Architekten zusammen treffen können. 

HESSE: Vor einigen Jahren ist diese Verzahnung noch sehr unterschätzt worden. Markenfokus heißt nicht, dass eine Agentur bei allen Umsetzungen dabei sein muss, sondern dass einer die Zügel im Sinne der Marke in der Hand hält. Das ist effizienter und wird mehr und mehr auch erkannt. Ich kann nicht im Store eine andere Sprache sprechen als online, weil hier unterschiedliche Agenturen am Werk sind. Der Endverbraucher ist anspruchsvoller geworden und merkt das sofort.

Spiegelt sich das auch in Pitch-Situation wieder? Wem sitzen Sie da gegenüber? 

HESSE: Es gibt Pitches da stürzen wir uns mit Wonne rein. Doch häufig wird der Vorschlag aus dem Pitch am Ende nicht eins zu eins umgesetzt, vor allem wenn die Partner so unterschiedlich sind. Manchmal kommen Anfragen, da pitchen wir gegen Ladenbauer. Das ist eine schwierige Situation, denn im Prinzip werden hier Äpfel mit Birnen verglichen. Aber es ist viel in Bewegung und das ist positiv. 

ZIPFER: Ich als Händler positioniere mich heute viel stärker als Marke. 

HESSE: Ja und das ist auch der Grund, warum Händler bereit sind, zusätzlich eine Markenagentur zu engagieren und nicht nur Architekten. Wir sind ganz klar ein Kostenfaktor, aber das Risiko, nicht ganzheitlich zu denken, ist groß und rächt sich auch auf der Kostenseite mittelfristig.

 

Und wie wird sich die Agenturlandschaft im Bereich Retail in Zukunft aufstellen? Was ist Ihre Prognose? 

VON HAUSEN: Den Bereich Retail in unserer eigenen Agentur weiter auszubauen ist zwar denkbar, bedeutet aber nicht, dass wir nicht auch weiter eng mit Architekturpartnern zusammenarbeiten, sei es mit eigenen oder mit denen der Kunden. 

HESSE: Es gibt einen Bedarf, der in Zukunft gedeckt werden muss. Wir werden definitiv verstärkt angefragt, besonders wenn es grundsätzlich wird: Was will die Marke erzählen? Wie hat sich die Marke oder das Produkt verändert? Genau hier gibt es oft ein Vakuum. Der Wunsch nach einem neuen Konzept ist immer ein Indiz für einen Umbruch – und dann wird es sehr schnell inhaltlich. Das ist die Schnittstelle, an der wir dem Kunden – und Architekten – guten Input geben können, um festzulegen, welche Schritte für die Marke notwendig sind. Gerade die Schnittstelle zur Markenführung ist der interessante Stellhebel.