Von Taylor lernen
Brand Relation – Made by Taylor Swift
Seien wir ehrlich: Ungläubig und auch innerlich berührt starren wir nun seit Monaten auf dieses Phänomen namens Taylor Swift. Sie mobilisiert Millionen von treuen Fans, die sie über Kontinente hinweg begleiten und sie als Teil ihres Lebens ansehen. Wie schafft es ein hochprofessioneller Megastar, eine derartige, persönlich empfundene Beziehung zu Millionen von Fans weltweit zu knüpfen? Und was können Markenprofis von dieser glitzernden Erscheinung lernen? Ein Kommentar von Irmgard Hesse.
Respekt!
Zu Recht werden die Anhänger:innen von Taylor Swift als „Swifties“ bezeichnet, denn der Begriff des normalen Fans scheint gar nicht recht zu ihnen zu passen. Was ist hier schon normal? Sie haben vielmehr ihre eigene Kategorie etabliert – der Adelsschlag für enge Kundenbeziehungen und Branding. Vielleicht ist das der Marke Taylor Swift so gut gelungen, weil die Swifties nicht in der klassischen, einseitigen verehrenden Rolle geblieben sind: Ihr Blick ist, bei aller Bewunderung und – ja, Liebe – für „ihre“ Taylor nicht der von unten nach oben, vom leicht beeinflußbaren, willigen Fußvolk hoch zum Megastar, sondern es hat den Anschein, dass es sich um eine Verbindung von Mensch zu Mensch, von Frau zu Frau, von Freundin zu Freundin handelt. Swifties fühlen sich nicht manipuliert von ihrem Idol, sondern respektiert.
Und ist es nicht genau das, was eine Brand zur Love Brand macht? Respekt ist nötig, um eine echte, tragfähige Beziehung zwischen Marken und Menschen zu knüpfen. Interessant ist, was im Falle der Swifties passiert: Sie sind aktiver Teil der Bewegung. Es ist vor allem diese stolze Selbstermächtigung, die zu der riesigen rosa Glitzerwolke an Wohlbehagen beiträgt, die die Swifties, aber auch jeden, der in ihren Euphorie-Dunstkreis gerät, umhüllt. Spannend ist zu beobachten, wie die Swifties dabei selbst aktiv werden und so eine eigenständige und trotz mancher Ticket-Exzesse, eine gesund wirkende Rolle einnehmen. Wer je einen Blick auf die mit viel Fantasie, handwerklicher Hingabe und Ausdauer entworfenen, genähten, gefädelten, mit tausenden von Pailletten bestickten Konzertoutfits samt passendem kunstvollem Make-Up geworfen hat, merkt: Hier geht es nicht um passive Verehrung und einem Rattenfänger gleichen Hinterherlaufen. Nein, hier geht es um ein selbstbestimmtes, selbstgewähltes und damit selbstbewusstes Dasein auf dieser Welt.
Was ist noch so bestechend am Phänomen Taylor? Vielleicht ist es die übergreifende Botschaftsebene, die ein Gefühl von „die Welt ist vielleicht doch ein guter Ort“ erzeugt. Auffallend ist die freundliche, offene und positive Stimmung, die die zu großen Teilen weiblichen Fans schaffen, auch in großen Rudeln aufrechterhalten. Das ist nicht selbstverständlich. Dazu passt auch, dass die Swifties für Stunden und manchmal mehrere Tage den Vibe einer ganzen Stadt prägen. Was können wir Markenmenschen nun von der Marke Taylor Swift lernen?
1. Authentizität
Vielleicht fängt es bei der fehlenden Abgebrühtheit an: Die vielbeschworene, in unserer Branche gern bemühte Authentizität, ist hier mehr als ein Buzzword und entwickelt ihre geballte Super-Power. Taylor wirkt eben nicht mechanisch-routiniert, ihre gewaltige Show Maschine hat ein menschliches, persönlich wirkendes Antlitz. Sie ist hochprofessionell, aber darüberhinaus hat man den Eindruck, sie gibt sich wirklich Mühe, ihren Fans einen unvergesslichen Abend zu bescheren. Stets ist sie volle dreieinhalb Stunden mit vollem Einsatz und mit Empathie dabei und wirkt dabei, als ob sie in diesem Moment für ihr Publikum das einzige, unvergleichliche Konzert des Jahres spielen würde.
2. Botschaft
Die weltumspannende Bewegung um Taylor Swift ist ein Beispiel dafür, welche Kraft Menschen aus einem gemeinsam empfundenen, positiven Lebensgefühl ziehen können. Ist es nicht wunderbar, welchen Sog Freundlichkeit entwickeln kann? Als Gegenbewegung zur steigenden Masse der Hate-Botschaften und dem von Algorithmen belohnten, aggressiven Kommunikationsverhalten sollten wir für unsere tägliche Arbeit mitnehmen, wieviel Kraft empfundene Wertschätzung entfalten kann um tragfähige, stabile Beziehungen und Gemeinschaften über Kontinente hinweg entstehen lassen.
3. Activation
Auch wenn musikalisch eher Mainstream, bietet die Songwriterin eine unter Swifties legendäre und heißgeliebte Textqualität. Dass sich die Taylor Swift-Fans auch in den Texten respektiert und stark fühlen, so als ob ihnen Taylor daselbst in ihrem Alltags-Leben das Händchen halten und ihnen den Rücken stärken würde, führt zu hoher Aktivität bei den Swifties. Sie fädeln und verschenken Freundschaftsarmbändchen wie die Weltmeister, sind allesamt textsichere Experten und machen mit ihrer Energie aus der Tournee über die Konzerte hinaus ihre eigene Riesenparty. Hier kann sich so manche Marke etwas abschauen: Das ist eine echte, lebendige Community.
4. Ausdauer
Ausdauer und Treue haben nicht nur die Swifties, auch Taylor selbst ist eine unermüdliche und konstante Arbeiterin. Songs schreibt sie seit Teenie-Tagen und hat seitdem einfach nicht mehr damit aufgehört. Mit ihrem eisernen Willen lässt sie sich von den nach wie vor meist männlichen besetzten Machtpositionen im Music-Business nicht klein halten. Viel Hochachtung schlug ihr entgegen, als sie aufgrund eines Streits mit ihrem damaligen Musikproduzenten ab 2019 begann, ein Album nach dem anderen neu einzuspielen. So holt sie sich die Kontrolle über ihr Werk zurück. Der Lohn für diese Konsequenz ist – und das ist übertragbar auf Markenführung – sind stabile, treue Beziehungen in beide Richtungen: Von den Swifties zu ihr, aber auch umgekehrt: Die Fans stützen sie.
Fazit: Markenprofis aufgepasst
Insgesamt bespielt Taylor Swift als Mensch und als Marke virtuos, höchst lebendig und professionell alle Themen, die Markenprofis jeden Tag beschäftigen. Sie bleibt dabei glaubwürdig und ist auch mal unbequem. Sie steuert zwar eine riesige Entertainment-Maschine, aber vermittelt nie das Gefühl, dass sie durch diese Maschine gesteuert wird, sie bleibt für ihre Anhänger als Person sichtbar. So hat sie mit ihren Swifties eine Bewegung erschaffen, die treu zu ihr steht, aber sich durch eigenes Handeln immer wieder emanzipiert. Dabei ist ihre persönliche Präsenz in Form von Konzerten ist nur eine Spielart der Community. So ließen sich in München Tausende von ticketlosen Swifties nicht die Laune verderben, sondern kaperten den dem Konzert nahe gelegenen Olympiaberg und hielten dort zwei Tage eine gewaltige Party ab.
Aus Markensicht interessant: Dieser erweiterte Verteiler in Kombination mit der Berichterstattung darüber hat sicher den Sog und damit den Wert der Marke Taylor Swift – sofern noch möglich – weiter gesteigert. So etwas ist natürlich nicht planbar. Aber eine selbstbewusste, treue Fanbase ist der Schlüssel dafür, dass solche Ereignisse überhaupt möglich werden. Deshalb: Glitzer auspacken, genau hingucken und eine auf den ersten Blick harmlos auftretende Fanbase nie wieder unterschätzen.